Becherbach bei Kirn. Am Volkstrauertag halten die Menschen inne und Gedenken der Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft. Erschreckenderweise sei im zivilisierten Europa wieder Krieg. „Hunderttausendfacher Tod, sinnloses Gemetzel und brutales morden wie im finsteren Mittelalter“, was man im heimischen Wohnzimmer mit verfolgen könne. Dieser Aufschrei war thematischer Inhalt von sechs Szenenbildern der fast 500 Jahre alten „Deutsche Sprüche von Leben und Tod“ von Leonard Lechner, die bis dato nichts an ihrer Aktualität eingebüßt haben.

Ein detaillierter Konzertführer und die Texte lagen aus: Hans Holbein´s Federzeichnung vom „Totentanz“ schmückte das Einladungssignet, wo „Die neuvermählte Dame“ vergnügt als jungverliebtes Paar mit ihrem Liebsten davon schreitet, während im Hintergrund Gevatter Tod als Gerippe die Trommel schlägt…

„Im Rücken“, von der Empore aus, sang der Chor der Becherbacher Kirchengemeinde unter Mechthild Mayer, die Akustik war tadellos. Der jahrzehntelange Becherbacher Pfarrer i.R. Friedrich Mayer aus dem Gelben Haus in Meisenheim begrüßte zu einem teils sehr still-anmutenden Konzert und rezitierte die gleichen Texte, die der Kirchenchor vielstimmig, brillant und leidenschaftlich geradezu zelebrierte. Darüber hinaus war das Laudate Dominum des zeitgenössischen Knut Nystedt und das Lied „Ich wollt, dass ich daheime wär“ als Ausrichtung der Christen auf die Ewigkeit und wahre Heimat aus dem Jahr 1430 ein absolut seltener Hörgenuss.

   „Die Menschen vergessen zusehends wie nahbar und lebendig der Tod ist: In einer Zeit der Globalisierung, der Grenzenlosigkeit, werden wir heute Abend daran erinnert, dass alles Leben ein Ende hat, alle Liebe endet, bis dass der Tod uns scheidet“. Im Mittelalter sei der Tod allgegenwärtig gewesen, das Stundenglas und die rinnende Sanduhr, Pest und Seuche erinnerten daran, während heute auf dem Friedhof kaum mehr ein Kindergrab zu finden sei und die Alten immer älter werden, konstatierte Friedrich Mayer. Er spannte den Bogen von Martin Luther über die Französische Revolution, heute sei das „Ich“ auf Regierungsseite „übergeschnappt. `Amerika first` heißt ich kann machen was ich will“. Wo der preußische König, Friedrich der Große, noch Diener seines Staates war, soll heute der Staat zum Instrument in der Hand der Autokraten werden, warnte Mayer.   

Pantomime „JOMI“ (Josef Michael Kreutzer) aus dem saarländischen Lebach zählt trotz einer Hörbehinderung weltweit zu den Spitzenkünstlern seines Metiers. Viel Beifall wurde mit flatternden und erhobenen Händen aus dem voll besetzten Kirchenschiff sichtbar. „JOMI“ setzte teils beklemmend und in allen Facetten den dunklen Reigen von der Wiege bis zur Bahre, vom Genesis, der Erschaffung der Erde, über das verlorene Paradies, Reich und Arm, den Glauben an Gott in Form eines Marionettenspielers bis ins hier und heute der SMS-, Rapper- und Selfie-Generation szenisch, geist- und gestenreich authentisch-pantomimisch um. Die Quintessenz lautete: „Im Lebenslauf hat alles seine Zeit“. Die Zuhörer blieben in der Kirche noch lange beisammen. Bernd Hey.

Zu den Fotos: Die Altarbühne gehörte dem darstellenden Künstler „JoMi“: Es war mucksmäuschenstill, als am Volkstrauertag Kirchengesang und Pantomime bei einem besonderen Konzert zu Kopfkino und zum Besinnen im Lebenszyklus in der Becherbacher Kirche anregten. Foto: Bernd Hey.

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