Monzingen/Bad Sobernheim. Region Nahe Glan. Das Chorsterben geht weiter oder ruht – Corona war quasi ein weiterer Sargnagel, so bitter es klingen mag: Apollo Meddersheim, Harmonie Merxheim (fusionierte), Sängerlust Monzingen, die gemischten Chöre Schwarzerden und Steinhardt, MGV Callbach, MGV Becherbach (bei Kirn und bei Meisenheim) der Frauenchor Roth, Zecher Kirschroth oder die Chorgemeinschaft Abtweiler-Raumbach… es war einmal! Zum Jahresende setzte sich der Abwärtstrend fort, sank erneut die Zahl der Chöre um sieben auf 52, bestätigte der Monzinger Jörg Kauffmann, Vorstand im Kreis-Chorverband.

Der Naheland Männerchor geht 2024 in sein zehntes Jahr und sucht händeringend Verstärkung. Beim Neujahrskonzert in der Seniorenresidenz „Felkebad“ waren weniger als eine Handvoll Sangesbrüder aus dem einst traditionsreichen felkestädtischen „Liederkranz“ 1853 präsent, weshalb die Mannen zu einer breit angelegten Sängerwerbung und einem eindringlichen Appell zur tätigen und passiven Mithilfe aufriefen, denn längst können die Senioren altersmäßig Festivitäten oder Veranstaltungen allein ohne fremde Hilfe nicht mehr meistern: „Vor zehn Jahren sind wir zusammengegangen, damit unser extrem hohes Gesangsniveau erhalten bleibt. Ich appelliere für Chorgemeinschaften, unsere hat sich zu 100 Prozent bewährt“, sagte Walter Zink dazu und wünschte, dass Männerstimmen dem Chorgesang treu bleiben und die Öffentlichkeit sensibilisiert werde. Der Liederkranz zählte einst 180, heute weniger als 50 fördernde Mitglieder.

Im Monzinger Gemeindehaus wurde von Phil Collins das romantische „You´ll Be in my Heart“ in deutscher Sprache („Du wirst in meinem Herzen sein“) aus dem Disney-Film Tarzan geprobt. Bei der anschließenden lebhaften Diskussion wurde Tacheles geredet: Wird in der Bevölkerung der Niedergang sang- und klanglos hingenommen? Können öffentliche Proben helfen, oder sind Projektchöre vorübergehend eine Alternative?  Vieles sei „aus der Zeit gefallen“, nicht mehr kompatibel, unverständlich: „Wenn ich Florian Silbereisen im Fernsehen sehe, wo fast schon eine Massenhysterie und ein Schlager-Hype als Show entsteht, kann ich nicht verstehen, warum wir so darben und unattraktiv sind?“, dachte der 85-jährige Manfred Schweig sinngemäß laut nach: ,,Singen im Chor ist Balsam für die Seele, zu allen Zeiten musste man um Nachwuchs werben“, sagte er. Und was Gerhard Wöllstein mit seinen fünf Chören in der Saulheimer Sängerhalle und 140 Mann auf die Bühne gezaubert hatte, sei ein „begeisternder und mitreißender Ohrenschmaus und ganz großes Kino und eine Faszination pur mit Gänsehautgefühl gewesen“, lobte der einstige Bad Sobernheimer Vorsitzende.

Eine Wiederauflage in Saulheim findet am 30 Juni 2024 statt – am 3. Juli ist das Singen der Chöre im Bad Sobernheimer Marumpark terminiert und am 14. September findet in der Kirner Innenstadt eine Neuauflage der „Nacht der Chöre“ statt. Der Naheland Männerchor plant zudem ein Konzert, ähnlich mit Gastchor und Solisten, wie es in der vollbesetzten Matthiaskirche am 29 April 2023 unter dem Motto „Vom Flügel eines Engel berührt“ zu hören war. Zudem wird in der Seniorenresidenz „Felkebad“ ein weiteres Ständchen gesungen. „Das sind fünf herrliche und attraktive Termine im zweiten Halbjahr. Wir bieten moderne Literatur und wünschen uns, dass neue Mitstreiter gern gesehen und willkommen sind und völlig unverbindlich bei uns reinschnuppern“, warb Gerhard Wöllstein. Geprobt wird abwechselnd in Monzingen und Bad Sobernheim. In allen Fußballstadien, auch auf dem Betzenberg beim 1.FCK das „Palzlied“, werden „Lieder nicht etwa gegrölt, sondern melodiös gesungen, was beweist dass ein hohes Grundbedürfnis an Musik und gemeinsamem Gesang besteht“, ergänzte Wöllstein. 

>>>Der 60-jährige Gerhard Wöllstein ist dreifacher Familienvater und seit 1986 Klavier-Dozent am Peter-Cornelius-Konservatorium in Mainz. Die Chorleitung von fünf Chören sei sein zweites berufliches Standbein. Im Bad Sobernheimer „Liederkranz“ 1853 fing er 16-jährig zu Singen an – 19-jährig übernahm der gebürtige Kirner 1983 die Chorgemeinschaft MGV Monzingen/Weiler als ersten Chor und wurde von seinem Vater zu den Chorproben chauffiert; – aus beiden formierte sich vor zehn Jahren der Naheland Männerchor mit fast 50 Mannen. Der klassische deutsche Chorsatz „Am kühlenden Morgen“ von Robert Pracht wurde am 4. Juni 2014 bei der ersten gemeinsamen Probe einstudiert. Insofern sind Rudi Beck oder der 91-jährige Otto Eßling seit Jahrzehnten Wöllsteins Weggefährte: „Früher ging nach der Schule direkt die Singerei los. Das war damals so und das ist 77 Jahre her“, erklärte Otto Eßling seine Sicht der Dinge und 77 Jahre Freude am harmonischen Gesang.

„Es geht nicht um einen Job für mich, sondern es ist eine Herzensangelegenheit und ich wünsche mir, dass es kulturell an Nahe und Glan nicht weiter den Bach ´runter geht und der Chorgesang und das gesellige Miteinander gepflegt werden und eine Zukunft haben“, wünschte Gerhard Wöllstein.

Zum Foto: Der Naheland Männerchor geht intensiv auf Sängerwerbung und probt moderne Werke fürs Singen im Marumpark, in der Singakademie Saulheim, für ein eigenes Kirchenkonzert oder am 14.September bei der „Nacht der Chöre“ in Kirn. Foto: Bernd Hey.

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