Bad Sobernheim. Als jetzt die Naheweinkönigin gewählt wurde und vor wenigen Wochen im Saalbau zu Neustadt an der Weinstraße mit Eva Brockmann aus dem Anbaugebiet Franken die Krone der 75. Deutschen Weinkönigin aufgesetzt bekam, da wurden bei Karlheinz Schneider Erinnerungen lebendig, und da standen dem Senior Tränen in den Augen. Denn als junger Bub fuhr er mit Mathilde Machwirth die erste Deutsche Weinkönigin aus dem Anbaugebiet Nahe aus seinem Heimatort Heddesheim (heute Guldental) über die Dörfer und stand am Krönungsmorgen noch mit ihr im Wingert. Pit Mahr aus Bad Kreuznach richtete flugs einen prächtigen Königinnenwagen her, den ein Sechser-Pferdegespann feierlich mit den Honoratioren in die Weinorte entlang der Nahe zog.

19-jährig saß der vernarrte Pferdeliebhaber vom Reiterverein Heddesheim mit Zylinder stolz auf dem ersten Pferd – einem frei-gehenden und lenkenden Zweiergespann, das den Kurvenradius voll ausschöpfte, damit das 17-Meter Gespann mit der Kutsche am Ende nicht gegen die Häuser knallte. An jenem Tag 1953 kam Karlheinz Schneider erstmals nach „Sowwerum“ und Meddersheim, wo an der Winzergenossenschaft ein großes Festzelt abends zum Feiern und Tanzen einlud. „An einem Tisch saßen 14 Damen, adrett herausgeputzt, fein gestylt und frisiert. Ich wog um die 50 Kilo und fragte, ob noch so viel Platz sei und gesellte mich zu ihnen“. Die erste Dame, die ihn siezte und die er zum Tanz aufforderte, war Berta Jetter. „Wir haben zu Hause auch zwei Ackerpferde“ kam sie mit ihm ins Gespräch und Weinseelig versprach er seiner Tanzpartnerin eine exquisite Kutschpartie.

Die sechs Pferde standen in Meddersheim in sechs verschiedenen Stallungen – sein Pferd stand bei Marga und Ernst Hexamer in der Sobernheimer Straße – Karlheinz Schneider kannte sich aus, seine Eltern betrieben in Heddesheim Weinbau, Ackerbau und Viehzucht. Entgegen aller Abmachungen „linkte“ er seine Kumpane, versteckte er die Kutsche nachts hinter Stroh, spannte am nächsten Morgen heimlich zwei Pferde vor die Königinnenkutsche und fuhr zu Berta Jetter nach Sobernheim ins Oberviertel in die Obergasse. Welch eine Romanze! Ihr Vater versagte zunächst die Ausfahrt, genehmigte nach gutem Zureden „nur eine halbe Stunde bis an die Eisenschmelze“. Das Ding war gedreht, die Tour lief glatt – für kurze Zeit verloren sich die Jugendlichen aus den Augen… dann wurden beide unabhängig von ihren Eltern über Winter zur Weinbauschule geschickt und auf dem Schulhof  begann ihr Liebesglück und gemeinsamer Lebensweg. „Alles vom lieben Gott gemacht und so bestimmt“, sinniert Karlheinz Schneider  – und da schwang ganz viel Demut und Dankbarkeit mit.

Zur „Freierei“ wurde 35 Kilometer mit dem Fahrrad gefahren, erinnert er sich sieben Jahrzehnte zurück. Das Ehepaar heiratete 1956, Sohn Bernd und Tochter Ulrike kamen zur Welt, dem Paar war es vergönnt, im Kreise der Familie mit drei Enkelkindern das Fest der Diamantenen Hochzeit zu feiern.

Damals war Sobernheim Tabakland, waggonweise wurden die Pflanzen verladen: „Als ich nach Sobernheim kam, gab es in der Stadt keinen Betrieb, der Reben angebaut, den Wein ausgebaut, in Flaschen gefüllt und verkauft hat“. Auf 3.000 Quadratmeter legte er den Grundstein damals in der Meddersheimer Straße, wo zuvor eine Knopffabrik war, der Handschlag noch zählte und der Gang zum Notar Assmann in der Nahestraße ohne Terminreservierung möglich war. Unter glücklichen Umständen begann er mit einem Hektar in der Weinbergslage Marbach nördlich der B 41, da, wo das Firmenlogo im Wingert steht. Niemand fand sich zum ersten Rebschnitt, aber: Seine Bitte nach Heddesheim wurde wie folgt beantwortet: „Schick am Montag einen Bus mit 50 Sitzen – wir kommen“ und auch da schwang in der Retrospektive emotional tiefe Dankbarkeit mit, als der junge Busunternehmer Molter aus Abtweiler, ebenfalls in seinen Anfangsjahren, seinen ersten 50-Sitzer losschickte.

Vieles gäbe es zu erzählen, Karlheinz Schneider ist geistig topfit, stadtbekannt und eine gesellige Frohnatur. Er ist Förderer in allen felkestädtischen Vereinen, sang Jahrzehnte im Liederkranz und ist Träger der Goldenen Ehrennadel des Landes Rheinland-Pfalz, die er gemeinsam mit dem verstorbenen Nußbaumer „OB“ Werner Sponheimer in Mainz verliehen bekam.

In zwei Monaten, am 20. Januar 2024 ab 10 Uhr, feiert der Senior voller Vorfreude in der Monzinger Straße an der Westtangente mit 150 geladenen Gästen seinen 90. Geburtstag in einem Festzelt, wo an seinem 70. Geburtstag bereits eine steinerne Kelter, an seinem 80. ein Weinfass platziert wurde und das Ensemble jetzt komplettiert wird. Eine Statue wird enthüllt, die Stadtkapelle spielt auf – und auch Pferde sind präsent und spielen eine Rolle, durch die der Heddesheimer in die Felkestadt kam – mehr wird nicht verraten. Natürlich lockert das honorige felkestädtische Original in einer humorvoll-launischen Ansprache, „die bei Zeitzeugen und Weggefährten ankommt und zieht“, zu seiner eigenen Pläsir sein Fest auf und schwelgt in Erinnerungen: „Das schönste Wappen auf der Welt, das ist der Pflug mit Pferden im Ackerfeld“, strahlt er.

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