Becherbach bei Kirn. Im Rahmen des rheinland-pfälzischen Kultursommers 2023 und dank der Bürkle-Stiftung laufen noch bis zum 24. September die zweiten Becherbacher Kulturtage „Land in Sicht“

mit hochkarätigen Konzerten und extravaganten, sehenswerten Ausstellungen von gut einem Dutzend namhafter Künstler und Kunstpädagogen in fünf ausgewiesenen Kunstorten innerhalb der Ortsgemeinde. „Kunst ist schön, macht aber viel Arbeit“ – von dieser Lebensweisheit können sich die Besucher vollumfänglich überzeugen.

Bei der Vernissage am Samstag mit dem Becherbacher Posaunenchor unter Leitung von Stefan Hausmann saß die evangelische Kirche proppenvoll – sie ist einer von fünf Kunstorten, wo einst im Reformationsjahrhundert im Oktober 1557 der erste evangelische Gottesdienst gehalten wurde. Die Landfrauen um Silke Schätzel boten im Gemeindehaus „Brücke“ Fingerfood und kulinarische Köstlichkeiten vom Feinsten: „Und dann sage noch einmal einer, auf dem Land ist nichts los!“ – dies war mit wertschätzender Verwunderung mehrfach zu hören, die Besucher waren wie ein Flitzebogen gespannt über alles Schöne und Kopfkino anregende, was sie zu Sehen bekamen.Als Schirmherr erinnerte Verbandsbürgermeister Thomas Jung im Gasthaus Landfrieden an einen zentralen Ort, wo einst das dörfliche Leben pulsierte. Er dankte den Organisatoren und Gastgebern, lobte dieses Engagement in höchsten Tönen und erbat sich viele Besucher für die Kulturtage „Land in Sicht“, bevor er sich inspirieren ließ und die Kunstorte aufsuchte.Bei der Vernissage fasste der Meisenheimer Künstler, extrovertierte Zeitzeuge und konzeptionelle Mitorganisator, Florian Haas, die Exklusivität und facettenreiche Präsentation der Ausstellung zusammen, Haas selbst ist für seine großformatigen und aussagekräftigen Linolschnitte als Pixel-Reporter bekannt, die an die ersten Computerspiele erinnern und die im ersten Stock des historischen und ortsbildprägenden Gasthofs „Landfrieden“ zu bestaunen sind: „Es geht von Schweden in die Ukraine. Von dort in die Feenwälder der Bretagne, von wo wir Germany´s smallest Autofabrik besuchen werden“. Weiter wird die Fassade des ehemaligen Kaufhauses Horten gewürdigt, dann kann der Besucher eintauchen in eine Welt aus Staub, um kurz darauf den Blick in die Ursuppe des Universums schweifen zu lassen, aus dem sich Chimären ihren Weg nach oben bahnen. Und von dort geht´s zum Bienen gucken zum Neuen Museum für Bienen in die Becherbacher Flurwiese, wo „Die gruppe finger“ aus Mainz und Frankfurt einen musealen Mikro-Kosmos für Bienen sehr authentisch realisiert hat. Jene erwähnte Feenwälder und verborgene Fabelwesen, Zwergen und Elfen sind das Metier von Jutta Ströter-Bender aus Meisenheim – und da lohnt es sich, im antiquierten Landgasthof genau hinzuschauen und das Gespräch mit der Kunstschaffenden zu suchen.  Das Künstlerpaar Livia Kubach und Michael Kropp aus Bad Münster am Stein Ebernburg ist mit von der Partie und bringt als Eye-Catcher unter fachkundiger Anleitung Skulpturen aus schwarzem, schwedischem Granit teils zum klingen.Die Werke des in der Eifel lebenden und international renommierten Klaus Dauven, Jahrgang 1966, würden Bände füllen und sind auf gigantischen Staumauern ebenso zu sehen, wie in Becherbach Pflanzenköpfe in der „Mistekaut“ bei Udo Barth im Oberdorf. Mit Dampf- oder Sandstrahler sowie der Reduktion und der Technik der Depatination entstehen filigrane Bilder und Portraits.  Ebenfalls künstlerisch wertvoll sind die Werke des Becherbacher Organisators Stefan Hausmann, der an der Kunstakademie Düsseldorf studierte und vor sieben Jahren in Becherbach den Posaunenchor aus der Taufe hob und dessen figurative Werke von Chimären besiedelt sind. Mit der Technik aus der Ikonenmalerei entsteht sowohl Tiefenschärfe wie Brüchigkeit, ähnlich so, wie der Klang aus verschiedenen Schwingungen entsteht.   In Becherbach bei Kirn und Düsseldorf lebt und arbeitet Czaja Braatz. Sie ist bekannt aus mehreren Ausstellungen in der Region, ihre Bilder und Arbeiten werden eins mit der Umgebung und transformieren sich so zu einer Gesamtinstallation. Gemalte Stille mit monochromer Malerei heißen in der evangelischen Kirche Werke von Siya Khan (Otzweiler / Berlin): Deren Übermalungen und Gebrauchsspuren sollen als Botschaft das Altern von Bildern und das Vergängliche bezeugen. Als Vertreter der konkreten Kunst beschränkt sich Karl Dietz auf eine mathematisch-geometrische Formensprache bei der Ausstellung in Becherbach.Ihre breite und originäre Produktpalette mit emissionsfreien Fahrzeugen mit Selbstantrieb aus der Produktionsstätte Ober-Ingelheim oder Blickwinkel aus der Nachkriegsmoderne längst vergangener Tage über Aldi und Horten stellen Jesko von Puttkamer und Katja Puttkamer (Ingelheim) als „Wow“-Exponate in „Bache Minas Landgasthof“ aus – die Lokalität kann passender nicht sein, wo Erinnerungen lebendig werden.Ebenso ein Kunstort im Dorf befindet sich bei Werner Barth im Becherbacher Oberdorf. Hunderte nostalgische Relikte, landwirtschaftliche Gerätschaften und Kulturgüter sind im Hof und auf vier Ebenen fein säuberlich deklariert. Der Landwirt, Alt-OB und Mundartpoet steht gerne persönlich Rede und Antwort und nimmt die Besucher auf eine Zeitreise mit, wo der Autor zweier Bücher die Titel seiner Publikationen erklärt, wie es „Im Dorf dehäm“ früher war bis die Zeit kam, als es hieß „Landwirtschaft wird abgeschafft“. Bernd Hey

Kulturtage "Land in Sicht 2023" waren Publikumsmagnet & Straßenfeger
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