HEIMWEILER. (Mai 2005) Als im Mai 2005 Bundeskanzler Gerhard Schröder nach 60 Jahren Kriegsende auf dem Soldatenfriedhof Ljublino bei Moskau einen Kranz niederlegte und die Fernsehbilder mit roten Nelken winkenden Kriegsveteranen um die Welt flimmerten, da standen Heimweilers ältester Seniorin Frieda Köhler Tränen in den Augen. Neben ihrem Ehemann Jakob waren ihre Brüder Herrmann und Otto im Krieg, drei Männer aus einem Haus! Herrmann blieb in Russland, auf dem „Feld der Ehre“ wie es sarkastisch heißt. In ihrem ganzen Leben hat sie niemals den geliebten Bruder vergessen können, und das will die 94-jährige auch nicht!. Er hat einen festen Platz in ihrem Herzen.

„Oma Frieda“, wie sie im ganzen Ort respekt- und liebevoll genannt wird, ist eine feine Frau, mit einem Haarnest und gelebten Furchen in ihrem Antlitz, die sie nur noch sympathischer machen. Eine Institution. Noch immer der Mittelpunkt ihrer Familie, seit sie in schweren Kriegszeiten vor 65 Jahren gemeinsam mit ihrer Mutter die kleine Landwirtschaft hochhielt und die beiden Kinder Hermann und Else durchbrachte. Wohlbehütet wuchs Frieda Köhler mit zwei Brüdern und einer Schwester in ihrem Elternhaus „Auf Schachert“ im damaligen Ortsteil Heimberg auf. 1910 als ältestes Kind geboren, starb 1923 ihr Vater Otto. Sie war 13, ihr jüngster Bruder Otto gerade drei Jahre alt. Mit Ackerbau und Viehzucht hatte die Familie ihr auskommen und hielt zusammen wie Pech und Schwefel: Zusammenhalt und Einigkeit sind zeitlebens das Credo der Dorfältesten auch heute noch und Frieda Köhlers frommster Wusch.

Auf das Versprechen hin, nach einem freiwilligen Jahr Wehrdienst hinterher Arbeit zu bekommen, meldete sich Bruder Herrmann. 26-jährig erhielt er 1939 mitten in der Nacht seinen Stellungsbefehl und verließ das Elternhaus. Der Krieg begann. Die Wehrmacht marschierte in alle Himmelsrichtungen und mit Herrmann Stenshorn im Frankreich-Feldzug gegen Westen, Bruder Otto und Friedas Ehemann Jakob Köhler wurden auch einberufen. Drei aus einem Haus und aus manch anderem Haus keiner. Das schmerzte. 1943 verbrachten Ehemann Jakob und Friedas Bruder Herrmann ihren Heimaturlaub zu Hause und schauten nach dem Rechten. Otto war in Russland verwundet worden und von feindlichen Soldaten, auf die er schoss, auf einen Verbandsplatz getragen und gerettet worden.

Als Herrmann dann wieder in den Krieg gen Russland musste, ging er zu Hause „Auf Schachert“ noch einmal durch alle Räume und verabschiedete sich. Hatte er eine Vorahnung? „Um uns herum fielen Soldaten um wie Fliegen. Es ist schrecklich!“, berichteten und schrieben die Brüder den Schwestern und der Mutter nach Hause. Komplizierte Verwundungen fürchteten in jener Zeit alle Frontsoldaten, „hoffentlich kein Bauchschuss“ war der größte Wunsch, von dem Herrmann Stenshorn dann doch nicht verschont blieb. In der Nacht auf den 1. August 1943 verstarb er in einem Lazarett an Verwundungen, die er auf der Rollbahn Wjasma- Smolensk erlitten hatte. Erst Mitte August brachte die Postfrau Hannah weinend die Nachricht mit der traurigen Botschaft eines Roxheimer Kameraden „Auf Schachert“, mit der Jeder in der Heimat in Kriegszeiten rechnen musste: Den „Heldenfriedhof“ in Jarzewo, das „Feld der Ehre, gefallen für Volk und Vaterland“ wollte die 94-jährige Frieda Köhler nie wirklich besuchen. „Die Kriegswirren waren nicht einfach: Wir hatten viele Erntehelfer aus Frankreich, Polen und Stanislaus aus Russland, alles feine Leute. Und in deren Heimat führten wir Krieg. Das war nicht einfach damals. Es war Krieg!“, sagt Oma Frieda resignierend immer wieder. Ihr aus Hundsbach stammender Ehemann Jakob wurde 1940 eingezogen und kehrte erst acht Jahre später aus der Normandie, aus französischer Gefangenschaft nach Hause. Mit ihm war es ihr vergönnt, 1992 Diamantene Hochzeit zu feiern. Von Schicksalsschlägen blieb sie auch in jüngerer Vergangenheit nicht verschont. Ende der 80-er Jahre verstarben zwei junge Frauen ihrer Enkelsöhne. In Mühlheim an der Ruhr 26-jährig Cornelia Kistner und in Kirn nur hundert Meter Luftlinie zum Krankenhaus entfernt, urplötzlich 21-jährig Drixi Köhler. Urenkelkind Christopher war gerade ein viertel Jahr alt und erlernte bis zu seinem dritten Lebensjahr „Auf Schachert“ das Laufen. Vier Enkel- und 12 Urenkelkinder halten heute die Oma ganz schön auf trapp. „Was hatte Herrmann nun von seinem freiwilligen Jahr? Krieg?, Nein, nie wieder Krieg!“, sinniert die Greisin verbittert. Auch ihren Bruder Otto Stenshorn holte die Vergangenheit ein. Zu Beginn der 60-er Jahre Ratsmitglied, leitete der verdiente Sozialdemokrat von 1975 bis 1995 als Bürgermeister die Geschicke der knapp 500 Seelen- Gemeinde in schwerer Zeit nach der Gebietsreform und Dorferneuerung mit Zusammenlegung der Ortsteile Krebsweiler und Heimberg zum heutigen Heimweiler. Zwei Jahre später, 1997 verstarb Otto Stenshorn, 77-jährig nach einer Operation an den Folgen einer Kriegsverletzung, ein Lungensteckschuss meldete sich …..!

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